12-15-19 – Nasenhunde

Windhunde und Milla

Die Nasenhunde sind übrigens hellbraune Galgos und stammen aus Spanien. Genauer gesagt, aus einer spanischen Tötungsstation. Klingt grausam. Ist grausam. Bonita hat einen zerschmetterten Hinterlauf und hopst deswegen auf drei Beinen durch ihr jetzt friedliches Leben. Zoé wurde von Zweibeinern gerettet, bevor man ihr wehtat. Trotzdem hat sie einen ziemlichen Gefängnisknacks bekommen und Nierenprobleme. Und irgendwas stimmt mit ihrem Gedächtnis nicht. Sie kann sich einfach nicht merken, wo ihr Zuhause ist. Ihr Orientierungssinn ist quasi nicht vorhanden. Wenn sie sich erschreckt, wird sie zu Bambi und flieht durchs Unterholz oder durch Hintergärten oder über den Friedhof, an dem wir wohnen, und versteckt sich wer-weiß-schon-wo. Manchmal nur für Stunden, manchmal für einen ganzen Tag. Ein paar Mal blieb sie sogar über Nacht verschwunden. Für BB ist das jedes Mal ganz entsetzlich. Zum Glück hat BB eine für Zweibeiner ausgesprochen feine Nase und so findet sie das Zoévchen jedes Mal wieder. Wegen ihrer Fluchtmacke (oder braucht sie … Weiterlesen..

12:15:00 – Fernsehkarriere

Dreharbeiten Bianca Wege zum Glück

Was jetzt gerade mit mir passiert, lässt sich nur schwer beschreiben. Es fühlt sich ausgesprochen wohligweich und hell an. Als läge ich in der Sonne. Aber offensichtlich kann T sich das nicht vorstellen. Sie fragt schon wieder: Alles gut, mein Baby? Ich sollte ihr bestätigen, dass alles gut, alles perfekt ist, doch meine Augen wollen sich einfach nicht öffnen. Auch meine Zunge bleibt lieber da, wo sie ist. Ich gönne T lediglich ein winziges, zufriedenes Schnaufen. Sofort krault T’s warme Hand mein Ohr. Berühren ihre Lippen sanft meine Lefze. Streichelt ihr Atem weich über meine Barthaare. Kein salziger Tropfen kitzelt. Alles gut. Alles perfekt. Wirklich. In Ehrlichkeit. Sätze schweben wie Federn durch den Raum. Tanzen schwerelos um mich herum. Einen kann ich für einen Moment festhalten. Gestern lief eine von deinen NHK-Folgen, sagt eine Stimme, die ich gerade nicht zuordnen kann. T müsste jetzt eigentlich erfreut sagen: Ach, wirklich? Prima. Auf dem Sofa gesessen und … Weiterlesen..

12:14:41 – Statistenrolle

Dreharbeiten Bianca Wege zum Glück

Ich bring dich ganz groß raus – beim Fernsehen. Das hat T mir am Anfang der Glückswege versprochen. Ich hatte das im Laufe der langen Strecke vergessen. Und dann geschah er doch noch, irgendwann in den letzten zwei Wochen in Bianca-Land: Mein großer Auftritt. Und zwar im Fish for Fun (FFF). Das winzige Museum auf dem Gelände von Schloss Petzow, unserem Außenmotiv, hatten die Ausstatter zu einem Restaurant umgebaut. Vier der Stühle aus dem FFF hat T übrigens nach Produktionsende gekauft. Inzwischen sind die Bezüge zerschlissen und zerrissen. Das einst braune Holz ist grau, rau und rissig. T behält sie trotzdem. Bei unserem Einsatz vor der Fernsehkamera sollte ich mich selber spielen und dabei T begleiten, die mit ihrem Film-Baby und ihrem Film-Vater im FFF eine Apfelschorle bestellt. Ich sollte aufmerksam neben T sitzen und freundlich gucken. Kein Problem. Eigentlich. Aber bis alle das machen, was der Regisseur will, genauso gucken und stehen und sitzen … Weiterlesen..

12:14:00 – Showdownlärm

Autorin Tina Gorf

Wahr ist übrigens auch, dass das Filmgeschäft seine ganz eigenen Gesetze hat. Ist man beispielsweise zufällig mit einer berühmten Hollywoodschauspielerin befreundet, rollt plötzlich alles. Der rote Teppich. Die Spiele. Die Laufbahn. Die Augen von Kollegen. Übermütig, wie T immer dann ist, wenn sie nicht gerade ihrem von Onkel A verliehenen Titel als Dramaqueen alle Ehre macht, hatte sie mir schon am ersten Tag in Bianca-Land versprochen: Milla-Darling, ich bring dich ganz groß raus beim Fernsehen. Weil ich T ernst nehme und sie ihre Versprechen ja auch immer gehalten hat, übte ich mich in dem, was T nicht hat: Geduld. Die Wochen und Monate vergingen, T sprach nicht mehr von meiner Karriere vor der Fernsehkamera. Sie war viel zu beschäftigt mit unserem neuen, aufregenden Leben. (Vielleicht hätte ich wachsamer sein sollen: T hatte mich vorher noch NIE Darling genannt.) Abgesehen davon, ich wusste nicht, wie mir so eine TV-Karriere schmecken könnte. Deswegen war ich auch nicht … Weiterlesen..

12:13:29 – Hollywoodfreundin

www.millas-blick.de

Seit wir in unserem Haus leben, habe ich eine Menge gelernt. Auch ausländisch. Dabei war es immer so: Schaltet T den Fernseher an, um ihre Serien in Englisch zu gucken, schalte ich ab. Aber offensichtlich lerne ich im Schlaf. Inzwischen klingt englisch für mich nicht mehr ausländischer als deutsch. Das Einzige, was mich anfänglich immer sofort hellwach sein ließ, war, wenn sich in der Flimmerkiste ein Vierbeinerkumpel zu Wort meldete. Dann horchte ich augenblicklich auf und wollte antworten. T hat jedes Mal den Kopf geschüttelt und meine Schnauze mit einer Hand verschlossen: Der ist doch nicht echt. Lektion gelernt: Zweibeiner unterscheiden zwischen echt und unecht. Warum auch immer. Wer will, wer kann schon wissen, was Realität und was Fiktion ist? Was wahr und was ausgedacht ist? Es sollte sich doch inzwischen rumgesprochen haben, dass es keine Wahrheit gibt. Keine wahre Wahrheit. Zumindest keine einzige Wahrheit. Es gibt doch immer mehrere. Bis auf die Sache Charlize … Weiterlesen..

12:13:00 – Drehbuchfragen

Milla vor Bianca Poster

Kamera? Läuft. – Ton? Läuft. – Ok. Ruhe, bitte. Wir drehen. Willkommen in meiner Welt, Bianca. Deren verschlungenen und komplizierten Wege zum Glück hat T sich mit ausgedacht. Geplottet und geschrieben. Wenn T gefragt wird: Ach, du bist Drehbuchautorin? Wie spannend. Kennt man denn was von dir? Was hast du denn so geschrieben?, sagt T stolz: Alle Hochzeiten bei Bianca. Ich war Bianca. Darauf reagieren vor allem Zweibeinerinnen immer mit entzückter Bewunderung. Und fragen T Löcher in den Bauch. Wie das so ist, bei Dreharbeiten. Ob sie auch dabei ist. Ob sie die Schauspieler kennt. Wie lange sie an so einer Folge schreibt. Woher sie ihre Ideen hat. Ich kenne die Antworten. Alle. Jede Einzelne. Ich war schließlich dabei. Jeden Tag. Und kenne deswegen auch die wichtigsten Vokabeln: Storyline. Drehbuch. Schauspieler. Location. Einschaltquoten. Set. Kameras. Studio. Außenmotiv. Nachtschicht. Teamarbeit. Champagner. Unterm Strich bedeuten sie für mich alle ein und dasselbe: Spaß. Denn irgendwo ist immer … Weiterlesen..

12:12:40 – Hasenzauberverwandlung

Herr Hasenzauber

Den einen Zweibeiner, mit dem wir oft plotten durften, nannte T nur Hasenzauber. Er nannte T Butterblümchen. Hasenzauber ist groß, ein Riese, und trägt feuerrote Hosen und weiße Hemden, hat eine wilde weiße Strubbelmähne und wüste schwarze Augenbrauen. Ein Zweibeiner wie ein Baum. Er roch nach ausgeprägtem Fluchtwunsch, sobald ich vor T den Flur runter trabte. Egal was T sagte, egal wie freundlich ich ihn begrüßte – Hasenzauber gönnte mir nicht den kleinsten Ohrenkrauler. Und vor allem wollte er niemals mit mir alleine sein. Ich roch seine Angst, seinen Stress, wenn es hieß, T und Hasenzauber sind in dieser Woche ein Plot-Team. Oder teilen sich ein Büro. Um es ihm ein bisschen leichter zu machen, nicht aus Unhöflichkeit, begann ich Hasenzauber schließlich zu ignorieren. Aber es blieb schwierig. Für ihn. Eines Morgens ließ T mich auf meiner samtblauen Decke zurück, sagte sehr streng: Du bleibst!, und touchierte dabei mit der flachen Hand beinahe meine Schnauze. … Weiterlesen..

12:12:31 – Kreativlingleben

Milla beim Plotten

Ihr Versprechen, dass ich in einem Garten leben würde, hat T übrigens gehalten. Bis heute. Ich hoffe, sie hat Bauer G das erzählt. Der Garten war ja schließlich der Hauptgrund, warum Bauer G mich T anvertraut hat. Ein Garten und Freiberuflichkeit. Gut. Das mit der Freiberuflichkeit war mit unserem Umzug nach Potsdam erst mal gestrichen. Wir wohnten zwar genauso, wie T es versprochen hatte – ruhig, grün, groß, friedlich. Wir waren 24 Stunden am Tag zusammen, sieben Tage die Woche. Es gab keine langen Trennungen mehr. Ich lag auch weiterhin neben oder unter T’s Schreibtisch. Aber eben nicht mehr in trauter Zweisamkeit und Ruhe zu Hause. Stattdessen verließen wir jeden Morgen unser neues Heim und ich trabte neben T zur Arbeit. Da flogen schon mal Aschenbecher an Wände; Stühle, Stifte oder Papierkörbe segelten durch den Raum; es wurden Türen geknallt; auf dem Gang gebrüllt; irgendjemand schmollte oder weinte oder alles zusammen. Wir Kreativlinge müssen so … Weiterlesen..

12:12:23 – Trennungsgründe

Beute nach dem Einkauf

Bevor T nämlich dafür gesorgt hat, dass Schauspieler im Fernsehen im richtigen Moment das Richtige sagen, hat sie in unterschiedlichen Städten sehr lange und manchmal auch sehr kurze Geschichten geschrieben. Die wurden in Zeitschriften und Zeitungen gedruckt und von Zweibeinern beim Frühstücksei und einer Tasse Kaffee oder abends auf der Couch oder wann und wo auch immer Zweibeiner in kurze oder lange Geschichten eben so eintauchen, gelesen. Öpa ist übrigens einer von diesen Zweibeinern – der liest nach dem Ei und der Tasse Kaffee. Genau wie I, T’s Mutter. Öpa und I haben tatsächlich T’s Geschichten ausgeschnitten und in einen Ordner sortiert. Und das, obwohl doch jeder weiß: Nichts ist so uninteressant wie die Geschichten von gestern. Haben Öpa und I im Fall von T’s Geschichten irgendwie anders gesehen. Jedenfalls hat T ihre Journalistenkarriere im Jahr vor meiner Geburt beendet. Und wieder aufleben lassen, als ich zu ihr zog. Von irgendwas müssen wir schließlich leben, … Weiterlesen..

12:12:00 – Redebedürftigkeiten

Milla trifft Vera int Veen

Wenn Zweibeiner nicht genau wissen, worüber sie mit ihrem Gegenüber reden sollen, sprechen sie über – natürlich – das Wetter. Haben T und Dr. C schon. Es wird regnen. Heute Abend. Thema erledigt. Schweigen zieht auf wie eine Gewitterwolke und kräuselt sich zwischen ihnen als unangenehmer Geruch. Ich kann riechen, wie unwohl T und Dr. C sich fühlen. Und verstehe es nicht. Schweigen ist doch wunderbar. So friedlich. T und ich schweigen oft miteinander. Manchmal treffen sich unsere Gedanken, kommunizieren ein bisschen, trennen sich wieder. Oft spricht T ihre Gedanken laut aus, ich lausche aufmerksam. So oder so: Unsere Welt ist in Ordnung. Mehr braucht es nicht. Nicht von meiner Seite. Bei T sieht das manchmal anders aus. Es gab sogar eine Phase, da war sie so unsicher, dass ich ihre chaotischen Gedanken einfach nicht mehr entwirren konnte. Wir hatten es gemütlich, gemeinsam auf dem dunkelroten Ledersofa. Eine Kerze brannte, T trank Tee und las … Weiterlesen..