Dreharbeiten Bianca Wege zum Glück

12:14:41 – Statistenrolle

Ich bring dich ganz groß raus – beim Fernsehen. Das hat T mir am Anfang der Glückswege versprochen. Ich hatte das im Laufe der langen Strecke vergessen. Und dann geschah er doch noch, irgendwann in den letzten zwei Wochen in Bianca-Land: Mein großer Auftritt. Und zwar im Fish for Fun (FFF). Das winzige Museum auf dem Gelände von Schloss Petzow, unserem Außenmotiv, hatten die Ausstatter zu einem Restaurant umgebaut. Vier der Stühle aus dem FFF hat T übrigens nach Produktionsende gekauft. Inzwischen sind die Bezüge zerschlissen und zerrissen. Das einst braune Holz ist grau, rau und rissig. T behält sie trotzdem.

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Bei unserem Einsatz vor der Fernsehkamera sollte ich mich selber spielen und dabei T begleiten, die mit ihrem Film-Baby und ihrem Film-Vater im FFF eine Apfelschorle bestellt. Ich sollte aufmerksam neben T sitzen und freundlich gucken. Kein Problem. Eigentlich. Aber bis alle das machen, was der Regisseur will, genauso gucken und stehen und sitzen und das sagen, was sie laut Drehbuch sollen, das dauert schon. Die ganzen Komparsen und die wichtigen Zweibeiner – die mit den Kameras, der mit der Klappe, der mit der Angel (also dem Tonarm) –, das Film-Baby und mich zu koordinieren, war, glaube ich, das kleinste Problem für den Regisseur. Das Film-Baby konnte sowieso noch nicht laufen. Es und ich waren während der Proben – und davon gab es fünf – sehr aufmerksam, sehr freundlich. Der Zweibeinerwinzling lachte und tatschte T ins Gesicht. Ich saß wie angewurzelt neben T und ließ sie nicht aus den Augen. Wir alle probten unsere Rollen ganz wunderbar und irgendwann war der Regisseur zufrieden, wie die Kameras standen und wir saßen und guckten. Der Aufnahmeleiter rief: Kamera? Läuft. – Ton? Läuft. – Ok, Ruhe bitte, wir drehen. Und der Regisseur brüllte: Und bitte!

Dreharbeiten Bianca Wege zum Glück

 

HUND (ich) betritt mit GAST (T) – Baby auf dem Arm – und VATER das Gartenlokal Fish for Fun. Alle setzen sich und warten auf die Bedienung. MATTHIAS kommt.

Matthias
Schön euch zu sehen. Wie geht’s?

Gast (T)
Hallo, Matthias. Danke, gut.

Matthias
Was darf es denn sein?

Gast (T)
Wir hätten gerne zwei Apfelschorlen.

Matthias
Gerne. Kommen sofort.

Schnitt.

MATTHIAS kommt mit den Getränken zurück.

Gast (T)
Vielen Dank.

Schnitt.

HUND (ich) sieht, wie GAST (T) – mit Baby auf dem Arm – und VATER von MATTHIAS per Handschlag verabschiedet werden.

Gast (T)
Danke, Matthias. Es war wieder sehr nett.

Matthias
Dann bis zum nächsten Mal.

HUND (ich) folgt GAST (T) und VATER bei Fuß und verlässt das FFF.

 

So kurz, so kompliziert. Es erinnerte mich alles an unsere Hundeschul-Phasen: T und mir wurde unter anderem erklärt, wie bei Fuß funktioniert. Immer und immer wieder haben wir das geprobt. Es lief auch super. Auf dem Hundeplatz. Wenn dann T und ich allerdings alleine unterwegs waren und sie sagte bei Fuß, zerrte sie an meiner Leine und stieß mir gleichzeitig mit dem Knie gegen den Brustkorb oder drängte mich gegen einen Zaun, bis ich schließlich verwirrt stehen blieb. T roch erst nach Irritation, dann nach Ungeduld und schließlich, als ich mich hinsetzte, weil ich überhaupt nicht mehr verstand, was T denn nun eigentlich von mir wollte, umwaberte mich T’s Frustduft. Genau wie damals in der Hundeschule machte T jetzt bei den Drehproben alles richtig. Sagte die richtigen Worte in der richtigen Reihenfolge im richtigen Moment. Und vergaß alles, sobald Kamera und Ton liefen und der Regisseur sagte: Und bitte!

Trotzdem behielt der seine höfliche Ruhe und Geduld und gab sich wirklich Mühe mit T. Bitte nicht so flirtiv, hat er gesagt, als T sich von dem netten Zweibeiner verabschiedete, den sie MATTHIAS nennen musste. Das andere Mal: Nimmst du das Baby bitte auf den anderen Arm? Danach: Kann Milla bitte rechts von dir sitzen? Als nächstes: Guckst du bitte deinen Vater freundlich an und tust so, als würdet ihr euch unterhalten?

Zwischendurch wurden T und dem älteren Zweibeiner Puder ins Gesicht getupft, die Haare gekämmt. T selber zuppelte immer wieder an ihrem T-Shirt, reckte den Hals, zog den Bauch ein und lächelte ein Lächeln, das nicht ihre Augen erreichte. Dann hieß es: Könnt ihr bitte etwas lauter sprechen? Oder auch: Zu schnell. Bitte noch mal langsamer. Ich kann mich nicht mehr an alle Anweisungen erinnern, aber es waren sehr, sehr viele. Am Ende schlief das Film-Baby und sabberte das T-Shirt von T voll, lag ich neben T statt zu sitzen und bestellte der alte Zweibeiner, der T’s Vater spielte, die zwei Apfelschorlen. Endlich, endlich brüllte der Regisseur: Danke. Das nehmen wir. Ich setzte mich wieder auf und sah zu, wie der Regisseur T umarmte und zum Abschied sagte: Gut gemacht. T nannte ihn später einen charmanten Lügner und hat sich in Grund und Boden geschämt, dass sie sich so dämlich angestellt hatte. Und war trotzdem auch ein bisschen stolz. Vor allem auf mich.

T hat nie wieder laut darüber nachgedacht, in die Fußstapfen von unserer berühmten Hollywoodfreundin Charlize Theron treten zu wollen. Wochen später, da gab es schon lange keine fliegenden Aschenbecher, durcharbeiteten Nächte und teure Prickelbrause mehr, sahen T und ich uns dann für den Bruchteil von Sekunden im Fernsehen. T seufzte: Großer Gott, bin ich fett. Aber wenigstens du siehst großartig aus, Milla.

*

Es gab dann noch die Hochzeit von Bianca und ihrem Oliver, viele Abschieds- und Glückstränen, rote Luftballons, die in den blauen Himmel stiegen, noch mehr Zweibeiner, die übermütig in den Petzower See hüpften. Während wir Bianca am Arm ihrer großen Liebe ins Glück schweben sahen, stolperte T anschließend plan- und arbeitslos durch die unbezahlte Freiheit. Mir dagegen gefiel es durchaus, die Tage nicht mehr im Büro, sondern in unserem Garten zu verschlafen. Ich machte mir keine Sorgen über das, was als nächstes passieren würde. Denn irgendwas passiert immer.

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