12:02:55 – Schweineohrzeit

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Apropos Appetit. Es ist Sonntag. Und es ist Mittag. Also Sonntagmittag. Sonntagmittag = Schweineohrzeit. Ich habe die rote Metallkommode mit den sechs Schubladen perfekt im Blick. Ich schaue also T an und drehe dann meinen Kopf zur Kommode, in deren oberstem Fach die Schweineohren vom Thüringer mit den lichten Locken und der roten Brille auf mich warten. Ich lege einen sehnsuchtsvollen Blick in meine müden Augen und klopfe mit meiner Rute ein, zwei Mal auf meine Wolke und starre wieder zur obersten Schublade. Sie möchte ihr Schweineohr, sagt T zu Dr. C. Ich bin immer wieder stolz, dass T meine Gedanken so fantastisch lesen kann. Zu meiner grenzenlosen Empörung schüttelt Dr. C auf dem Thron aber mit dem Kopf. Und T schaut zu mir, ihr Blick und ihre Stimme sind weich: Tut mir Leid, Puppylotte, jetzt nicht. Wie jetzt? T unterschlägt mir meine Sonntagsfreude, weil Dr. C das nicht will? Warum das denn? Ich schnaufe, … Weiterlesen..

12:02:39 – Feldwegköstlichkeit

Milla in der Hundeschule

Offensichtlich stehen Schönheit und Futter und Arthrose irgendwie in Zusammenhang. Denn auch wenn T mir jeden Tag, wirklich JEDEN Tag, sagt, du bist der schönste Hund der Welt, sagt sie leider eben auch: Einer von uns muss schlank bleiben – und das bist du. Im Klartext: T öffnet verlockend knisternde Tüten – und kaut deren Inhalt (am liebsten Gummibärchen, aber zur Not auch Schokolade oder Salzstangen) nicht weniger gierig als ich, wenn mir der Magen bis zu den Pfoten hängt. Aber gibt sie mir je was ab? Nein. Nie. Also, fast nie. Wenn ich so tue, als interessiere es mich überhaupt gar nicht, was T so munter vor sich hin knabbert, dann passiert es eben doch manchmal, dass eine Salzstange vor meiner Schnauze wackelt. Aber das ist schon selten. T nennt ihr Verhalten konsequent. Auf Konsequenz könnte ich gut und gerne verzichten. Auch wenn ich zugeben muss, es macht das Erlernen von Regeln einfacher. Man … Weiterlesen..

12:02:00 – Schönheitswahn

Milla trifft ihren Bruder

Wenn Zweibeiner über Schönheit sprechen, bin ich meist überfordert. Erst seit T gesagt hat: Schönheit liegt im Auge des Betrachters, ist mir klar, dass Schönheit etwas ist, bei dem sich Zweibeiner nie wirklich einig sein werden. Für mich ist Schönheit ganz einfach zu definieren: Jeder, der freundlich ist, eine sanfte Stimme hat, der nach Glück, Treue, Zuverlässigkeit und Liebe riecht, ist schön. Schönheit ist also für mich kein wirklich wichtiges Thema. Wohl aber für T. Meist, wenn sie eine bunte Zeitschrift durchgeackert und lange die Bilder angestarrt und geseufzt hat: Gott, wie schön kann man denn sein? Was dann oft folgt, ist seltsam. T behauptet dann nämlich, ich finde mich schon auch schön, irgendwie. Aber das klingt nicht wirklich überzeugend, wenn sie sich dabei grimmig im Fenster oder im Spiegel anstarrt. Denn sie holt dann mit einem komischen Gesicht beängstigend tief Luft, so dass ihr Bauch ganz flach und sie selber größer wird. Dann atmet T eine … Weiterlesen..

12:01:43 – Schicksal

Hündin Milla auf dem Arm der Autorin

Plötzlich spüre ich T’s vertraute Finger, die über mein linkes Ohr streichen. Ganz sanft, immer und immer wieder. Seidig, nennt T meine Ohren und legt manchmal ihr sehr kleines und knorpeliges Ohr dagegen. Sie tut mir ein bisschen Leid, denn mit so kleinen, knorpeligen Ohren ist es kein Wunder, dass sie so schlecht hört. Ohne es zu bemerken, habe ich mich offensichtlich auf die Seite gelegt. Etwas mühsam öffne ich die Augen. Dr. C sitzt immer noch auf dem Thron, T bei mir auf meiner Decke. Sie lächelt. Hör jetzt bloß nicht auf, denke ich. Es gibt nichts schöneres, als von T gestreichelt zu werden. * Als wir größer waren, änderte meine Mutter übrigens ihre Meinung. Wenn ein Zweibeiner freundlich mit euch spricht, wenn er gut riecht und euch nicht einfach hochhebt, bevor ihr seine Hand beschnuppern durftet, dann wedelt ruhig. Ich wollte natürlich wissen, was das mit dem wegnehmen nun auf sich hatte. Erst … Weiterlesen..

12:01:32 – Schockverliebt

Huendin Milla mit Mama im Stroh

T ist dann also ohne mich nach Hause gefahren und hat ihrem Vater (den sie immer liebevoll Öpa nennt), erzählt, dass sie sich verliebt hätte, aber alle Welpen schon weg seien. Öpa war heimlich erleichtert. Er konnte nämlich nicht verstehen, warum T traurig war. Warum sie überhaupt einen Hund haben wollte. T hat versucht, sich selber zu trösten: Es wird schon seinen Grund haben. Aber dann ist es eben passiert, das Wunder. Zwei Abende später. Da hat Bauer G bei T angerufen: Wenn Sie noch Interesse haben, können Sie einen Welpen haben. T hat gefragt: Die kleine, zierliche? Damit hat sie nicht mich gemeint, das dürfte klar sein. Aber Bauer G hat gesagt: Nein. Kommen Sie vorbei, wenn Sie wollen. Dann zeig ich sie Ihnen. T sagt, das sei einer der glücklichsten Momente in ihrem Leben gewesen. Sie ist sofort ins Auto gestiegen und losgefahren. Für mich spielt es keine Rolle, dass ich für T … Weiterlesen..

12:01:00 – Lebensmensch

Abenteuer auf dem Bauernhof

Als ich T das erste Mal sah, war ich sehr jung, sehr dick und hatte kaum eine Ahnung von wenig. Alles was ich wollte, war T sofort irgendetwas zu schenken. Ein Stöckchen. Oder den Lederball. Sie würde ihn wegkicken und ich würde ihn ihr zurückbringen. Oder vielleicht doch besser meinen größten Schatz. Einen herrlich angenagten Kauknochen – den ich vor meinen verfressenen Brüdern immer verstecken musste -, ich hätte ihn ihr sofort überlassen. Am allerliebsten hätte ich mich vor ihr auf den Rücken gelegt, damit sie mir den Bauch krault. Sie roch so gut. Warm und friedlich und nach Freiheit und Fröhlichkeit und Beständigkeit und Treue. Ich war ganz sicher, mit ihr würde ich eine Menge Spaß haben. Sie würde genauso zuverlässig sein wie Bauer G, der sich seit meiner Geburt um mich und meine Geschwister kümmerte. Als T uns das erste Mal besuchte, war es schon spät. Meine Geschwister und ich langweilten uns ein … Weiterlesen..

12:00:39 – Zwischenparken

Jetzt ist Mittag. Der Himmel grau und ich muss kein schlechtes Gewissen haben, dass ich müde bin und überhaupt keine Lust auf nichts habe. Dr. C berührt kurz die Stelle, an der es angeblich gepikst hat, und setzt sich dann auf das wuchtige Ding aus geschnitztem dunklen Holz und schwarzem Leder, das mit Nieten verziert ist, mit dieser graden Rückenlehne und der empörend schmalen Sitzfläche. T nennt es den Thron. Ich habe nie versucht, es mir darauf gemütlich zu machen. Ich bevorzuge das Sofa. Die linke Hälfte. Und noch ein Stück von der rechten. Wenn ich es mir heimlich bequem machen will, schaut T streng und sagt: Warte! Wenn sie dabei das a so sehr in die Länge zieht, dass es wie waaaaaaaahhhhrte klingt, nehme ich die Pfote widerwillig wieder runter – und warte. Bis sie meine weiche Decke auf dem roten Leder ausgebreitet und fest gestopft hat. In letzter Zeit sagt T statt waaaaaahhhhhrte meist … Weiterlesen..

12:00:00 – Schmerzfrei

Zum ersten Mal seit Monaten habe ich keine Schmerzen. Es ist der 21. Februar. Für T ist der Februar der schlimmste Monat von allen. Sagt sie jedenfalls jedes Jahr. Und stöhnt genervt über das Grau und die Kälte und den Regen und die schlecht gelaunten Menschen. Bis ihr einfällt, dass unser gemeinsames Leben im Februar begonnen hat. Genauer gesagt, am neunten Februar. Das ist inzwischen 13 Jahre her. Nur deswegen mag ich übrigens den Februar. Im Dezember hatten wir uns das erste Mal getroffen und dann, Anfang Februar, bin ich bei T eingezogen. Mit jedem Atemzug entspanne ich mich. Das scheußliche Stechen im Rücken, in beiden Hüften, das mich auf Schritt und Tritt quält, mich langsamer sein lässt, als ich es je war, wird immer weniger. Ich bekomme viel besser Luft. Und plötzlich fühle ich mich kraftvoll. Jetzt wäre ich sogar bereit für einen großen Spaziergang. T scheint allerdings keinerlei Ambitionen zu haben, also bleibe … Weiterlesen..

Wie alles begann

Sie sieht aus wie eine kleine Kuh, doch Milla ist ein Dalma-Senn. So nennt ihre Zweibeinerin sie jedenfalls. An der Seite von T lernt Milla im Atlantik das Schwimmen. Muss hilflos mitansehen, wie ihre Zweibeinerin in der Schweizer Via-Mala-Schlucht beinahe ertrinkt; bangt um eine Husky-Freundin, als die ein Wildschwein ärgert, und zittert, wenn’s  an Silvester mal wieder kracht. Als treue Weggefährtin ist Milla vom ersten bis zum letzten Tag bei den Dreharbeiten zu Deutschlands erster Telenovela dabei und schließt kurz darauf nicht nur Freundschaft mit Hollywoodstar Charlize Theron. Denn die fröhliche Hündin wickelt mit ihrem klugen Charme Schauspieler, Buchhändler, Pizzaverkäufer, sämtliche Nachbarn und sogar ängstliche Riesen um die Pfoten. Als Milla mit 13 Jahren und drei Monaten durch Tierärztin Dr. C von ihren Schmerzen erlöst wird, und ihre Zweibeinerin alleine zurück lassen muss, ist das trotzdem kein Abschied für immer.