12:07:00 – Altersfragen

Dackel Rudi

Vor zwei Abenden war Dr. C auch schon bei uns. Ohne Rudi. Was mehr als in Ordnung ist, denn Rauhaardackelrudi ist nicht besonders gesellig. T begrüßt ihn trotzdem immer freudig mit mein großer Freund. Rudi kann locker unter meinem Bauch durchwackeln, ohne dass auch nur eins seiner beigebraunen Bürstenhaare mich kitzelt. Nicht, dass Schulterhöhe irgendwie wichtig wäre, aber großer Freund?! Ich vermute, T will Rudi ein besseres Gefühl geben, weil er solche Stummelbeine hat und ich ihn bei jedem Spaziergang locker abhänge. Zumindest auf langer Strecke. Dr. C und T haben gehofft, Rudi und ich würden uns anfreunden. Haben wir aber nicht. Mehr als respektvolles Ignorieren geht nicht zwischen uns. Wobei das mit dem Respekt bei Rudi so eine Sache ist: Jedes Mal, wenn er uns besucht, fordere ich ihn höflich auf, doch bitte nicht jeden Strauch zu markieren. Was er dickköpfig überhört. Und T großzügig übersieht. Rudi mangelt es irgendwie an erkennbarem Mitgefühl. Nicht, … Weiterlesen..

12:06:39 – Schmerzmonster II

Schmerzmonster

Verstehe einer die Zweibeiner. Wenn T Salz aus den Augen fällt, wenn ihre Stimme zittert oder sehr leise ist, dann weiß ich: T ist traurig. Aber warum ist sie es jetzt? Es gibt gar keinen Grund. Es geht mir großartig. Es ist gemütlich, ich habe keine Schmerzen. Gar keine. Und nur weil ich müde bin, muss T doch nicht traurig sein. Um sie zu beruhigen und zu trösten, lecke ich T ein bisschen schlapp über die Hand. Nein, nein. Nicht halbherzig. Voller Liebe und Hingabe. Aber eben doch nur einmal. Ich hoffe, sie liest meine Gedanken. Wie herrlich es ist, dass meine Hinterläufe sich nicht mehr anfühlen, als hätte ich spitze Splitter darin. Wie leicht ich mich fühle. Weil der Schmerz schweigt. Nein, ich werde nicht aufstehen. Obwohl ich es könnte. Ich gestatte mir stattdessen eine leichte Kopfdrehung, so dass ich Dr. C sehen kann. Und plötzlich martert mich statt Schmerz ein Gedanke: Was, wenn … Weiterlesen..

12:06:00 – Treppenbrett

Hündin Milla als Welpe

Sie macht das vorbildlich, höre ich wie durch Watte die Stimme von Dr. C. Was genau vorbildlich daran ist, dass ich mein Wolkenliegen genieße, weiß ich nicht. Oft erbrechen sie unkontrolliert und rennen unruhig hin und her sagt Dr. C. Aha. Wer jetzt? Also mich kann Dr. C mit sie nicht meinen. Warum sollte ich? Unruhig renne ich nur hin und her, wenn ich weiß, dass T wegfahren will und befürchte, dass sie mich nicht mitnehmen wird. Unkontrolliert ist lediglich meine Freude, wenn meine Unruhe berechtigt und T ohne mich weg war, und dann zurück nach Hause kommt. Dann bin ich wie ferngesteuert. Hüpfe um T herum, an ihr hoch, schlinge meine Vorderpfoten um ihren Bauch. Meine Rute verwandelt sich einen Propeller. Meine Stimme (Tenor) kippt und ich singe (Mezzosopran). Gleichzeitig quetsche ich mich durch T’s Beine, vor und zurück und noch mal und noch mal. Jedes Mal. Jedes Mal ein bisschen mehr. Am Anfang … Weiterlesen..

12:05:38 – Ohrtriangel

Mit Hund in der Schweiz

Was besonders spannend an ihren unberechenbaren Emotionseruptionen ist: T flippt aus, wenn andere die Ruhe behalten. Und umgekehrt. Wie damals, als wir bei T’s Schwester C zu Besuch waren, weil C ihren Geburtstag feiern wollte. Da hätte T allen Grund gehabt die Kontrolle zu verlieren und zu toben. Hat sie aber nicht. C feiert ihre Geburtstage gerne groß. Mit Musik, viel Essen und Trinken und noch mehr Freunden. In diesem einen Jahr kamen sogar welche aus der Schweiz. Und die zwei Zweibeiner brachten ihre Pitpulldame Daisy mit. Klein, kompakt, kontaktscheu. Sie wollte nicht mit mir spielen. Oder durfte nicht. Jedenfalls hielten wir die ganze Zeit einige Hundelängen Abstand. Daisy lag auf der Holzterrasse. Ich plantschte durch den Bach, spielte mit den kleinen Zweibeinern Fußball, verbrannte mir am Grill beinahe die Nase, griff ein Stückchen Bratwurst ab, das jemand verloren hatte. Und vergaß, dass Daisy überhaupt da war. Am nächsten Morgen lungerten wir alle müde von … Weiterlesen..

12:05:00 – Nasenkämpfe

Paul und Milla

Milla ist alles, nur nicht aggressiv, sagt T, wenn jemand in ängstlichem Respekt erst mal Abstand zu uns hält. Dass T mich für gutmütig, sanft, freundlich, klug und zwischendurch auch albern hält, steht mir zwar nicht aufs Fell gepinselt. Bin es trotzdem. Alles, nur nicht aggressiv verpflichtet mich allerdings auch zu höflicher, ergebener Duldsamkeit. Theoretisch kein Problem. Praktisch schon. Vor allem, wenn ich eigentlich ganz andere Pläne habe. Und ganz besonders, wenn mich Zweibeiner mit ihrem Nachwuchs entdecken. Oh, guck mal, eine kleine Kuh, heißt es dann. Natürlich. Und als nächstes: Darf man den denn auch mal streicheln? Warum sagt T eigentlich nie nein? T sagt immer: Ja, klar, gerne. Und klingt erfreut. Im nächsten Moment lässt sie mich platz machen – damit ich nicht so riesig erscheine. T hockt sich vorsorglich neben mich, legt ihre Hand auf meinen Rücken, streichelt mir über den Kopf. Ich bin nicht sicher, ob sie es tut, damit ich … Weiterlesen..

12:04:41 – Kuhkommunikation

Während ich da so mit erhobener Pfote witternd vor dem summenden Zaun stand, wurde mir klar, warum mir diese massigen Ungetüme so vertraut vorkamen: große, schwarze Flecken auf weißem Fell. Genau wie bei mir. Während mir diese frappierende Ähnlichkeit klar wurde, schien der Zaun den Kühen zu verraten, dass sie einen Gast hatten. Wie auf Kommando hielten alle mitten in ihrer breitmäuligen Mahlarbeit inne. Eine nach der anderen hob langsam ihren Kopf, drehte ihn in meine Richtung. Ein schwarz-weißer Bonsai-Titan, wirklich kaum größer als ich, rannte auf mich zu – und blieb dann wie angewurzelt und stumm stehen. Er starrte mich aus unglaublich großen braunen Augen an. Ich starrte zurück. Offensichtlich funktioniert Kuhkommunikation per Gedankenübertragung. Im Gleichschritt trabten plötzlich alle Schwarz-Weißen auf mich zu, reihten sich Schädel an Schädel neben ihrem Nachwuchs auf. Um sich erneut in Bewegungsunfähigkeit zu üben. Sie kauten nicht. Sie schlugen weder mit ihren Schwänzen nach frechen Fliegen noch verscheuchten sie … Weiterlesen..

12:04:29 – Weperwanderung

Ballspiel an der Weper mit Hündin Milla

Meine erste Begegnung mit Kühen. Passiert bei einer herrlichen Wanderung über die Felder im Südsolling mit T und deren Schwester C in meinem ersten Frühling. Ein perfekter Tag. Nicht zu heiß, eine leichte Brise, blauer Himmel, Schäfchenwolken. Unser Weg führte uns durch Schrebergärten, vorbei an Zwerghühnern. T liebt diese bunten, plusterigen Prachtpuschler. Erstaunlich eigentlich, dass bei uns keine wohnen. Böse bin ich deswegen kein bisschen. Im Gegenteil. Dieses hysterische Scharren im Dreck, das wilde Durcheinandergackern und ständig hektische Picken. Muss man mögen. Könnte ich auch alles noch akzeptieren. Aber wenn ich die Hühner mit einem freundlich-fröhlichen: Hallo, die Damen, wie geht’s? begrüße, verstummen sie erst und rennen dann kreischend unter eine Tanne, wo sie sich nervös aneinander kuscheln, als wäre ihnen kalt. T behauptet, Hühner verweigern aus Prinzip Kontakt mit jedem, der keine Federn hat. Schon auch ignorant und ausgesprochen unhöflich. Aber ich dränge mich nicht auf. Deswegen verkneife ich mir inzwischen meinen lautstarken Gruß. Nicht … Weiterlesen..

12:04:00 – Identitätskrisen

Was ist der Sinn des Lebens?Wozu mache ich das alles?  Zweibeiner leiden ja gerne mal unter Identitätskrisen. T auch. Eine ihrer liebsten Rätselfragen ist: Wer bin ich? T gönnt sich dieses Quiz regelmäßig. Sie kann sich sogar bemerkenswert intensiv daran erfreuen. Variiert Reihenfolge und Wortlaut mit wachsender Begeisterung. Wenn es dann endlich so richtig aus dem Ruder läuft, steuert T zielstrebig auf den beunruhigenden Höhepunkt zu, und lässt sich durch nichts davon abbringen, ihre Zweifel ausschweifend zu zelebrieren. Ist der Gipfel erreicht, geht T nicht mehr ans Telefon, ignoriert die Türklingel, liegt den ganzen Tag schweigend vor dem Fernseher, auf dem Sofa, alleine, in ihre Decke gehüllt. Wenn sie nicht schläft, knistern Unmengen von Tüten und T stopft wahllos und ohne zu kauen alles in sich rein, was sie greifen kann. Sieht nach Entspannung aus. Ist es aber nicht. Im Gegenteil. Bedauerlicherweise genießt T diese Auszeiten von der Welt nicht, sondern wird zunehmend übellauniger. Mein … Weiterlesen..

12:03:25 – Emotionsexplosion

T vertraut Dr. C, ich vertraue T. So einfach ist das. Also ist alles gut. Wobei. Mit dem Schwören hat T es ja normalerweise nicht so. Versprechen – ja. Aber einen Eid schwören? Ernsthaft? Macht sie nie. Warum auch. Mehr als etwas versprechen kann man nun wirklich nicht. Und was immer T sich und mir geschworen hat – ich erinnere mich nicht. Ah. Moment. Vielleicht hängt es mit dieser Phase zusammen, als es ziemlich holperte mit uns? Als wir diese Wochen nämlich überstanden hatten, hat T gesagt: Ich kann dir nicht versprechen, dass es nie wieder passiert, Milla. Aber ich schwöre, dass ich mir Mühe gebe, dass ich alles versuche, damit es nicht mehr passiert. Ist es trotzdem. Immer mal wieder. So ist das nun mal mit Zweibeiner-Versprechungen – sie werden gegeben und versucht zu halten. Etwas zu versuchen beinhaltet aber eben immer auch, dass dieser Versuch möglicherweise nicht funktioniert. Und den Schwur, den T … Weiterlesen..

12:03:00 – Schmerzmonster

Schlimmer geht immer, seufzt T manchmal in komischer Verzweiflung. Oder sagt es mit großer Gleichgültigkeit. Verstanden habe ich früher nie, was genau sie damit meint. Jetzt weiß ich es. Weil ich es verstehe. Vor ungefähr fünf Sommern hat der Schmerz mir das erste Mal zugeraunt, dass er ab jetzt immer bei mir bleiben wird. T hat ihn auch gehört – und ist mit mir zu einem großen Arzt gefahren. Der hat mich abgetastet und was von Spondylosen gesagt. Es handelt sich um eine deformierende Krankheit der Wirbelsäule, hat er T erklärt, während ich auf dem kalten Metalltisch lag und auf das Glas mit den Keksen schielte. Und weil er ein Spondylosen-Spezialist ist und T immer die beste Behandlung für mich will, hat der hühnige Arzt mit den großen, warmen Händen was von Gold-und Titanimplantaten gesagt. Die habe ich dann bekommen. Nach sechs Wochen ohne Stöckchen retten, Radfahren und Schwimmen hat der Schmerz tatsächlich geschwiegen. Und … Weiterlesen..