Mila und Hundefreund Elvis

12:16:32 – Animositäten

Weil ich an diesem Abend meinen Staubsaugerjob im Kinosaal offensichtlich vorbildlich erledigt hatte, geräuschlos und überaus gründlich, machen T und ich seitdem regelmäßig auf intellektuell und in Bildung. Meist gehen wir zu den Franzosen. Die sind feingeistiger und nicht so krachlaut wie zum Beispiel die Amerikaner. Fazit: Bildung schadet tatsächlich nur dem, der sie nicht hat. Und ich bin definitiv auf den Geschmack gekommen.

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So kurzweilig und sättigend wie im Thalia wird mein Bildungshunger leider nicht immer befriedigt. Die Literaturgruppe, zum Beispiel, die fordert mir schon einiges an Geduld ab. Die Treffen sind laut, hitzig und dauern jedes Mal Minimum zwei französische Cannes-Gewinner. Und am Ende jeder Sitzung bin ich nicht halb so vollgestopft wie nach einem Thalia-Besuch. Denn nur selten fällt ein Bildungskrümel vom Literaturgruppentisch.

Darüber hinaus, und das wiegt ungleich schwerer, gibt es diverse Animositäten zwischen August und November von Seiten einiger Literaturler. Sie sagen puuuuuh oder och, nee, wenn T und ich ihnen zu nahe treten. Rümpfen ihre Nasen und rücken von mir ab. Smilli, sagt Onkel A dann zärtlich (er nennt mich immer nur Smilli und tätschelt dabei sehr reizend meinen Kopf), Smilli, alte Socke, du stinkst. Und zwar erbärmlich. Die restlichen Zweibeiner nicken. Stört mich nicht. T schon. Sie sagt entweder: Das liegt am Schwimmen. Millas Unterfell trocknet schwer. Oder sie behauptet, es sei der Dalmatiner in mir: Die Rasse habe eben extrem ausgeprägte Schweißdrüsen. Ändert nichts an der Haltung oder Einstellung aller anderen. Fast ausnahmslos finden sie, ich rieche wie alter Käse. T schwankt zwischen gekränkt, peinlich berührt oder gleichgültigem Trotz. Weil sie mich aber liebt und sagt uns gibt’s nur im Doppelpack, schleppt mich jedes Mal wieder mit. Sie hat sich eben auch ein dickes Fell wachsen lassen.

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Ich bin nicht sicher, ob Kartenspielen in Zweibeinerkreisen ebenfalls in die Kategorie Bildung fällt. Ich vermute schon. Denn T war es sehr wichtig, sich jeden Donnerstag mit ihren Doppelkopf-Damen (kurz Doko-Hühner) zu treffen. Die übrigens noch viel intoleranter auf animalische Gerüche reagieren als die Leserunde. Weswegen T und ich irgendwann auch aus dem Doko-Hühner-Stall ausgestiegen wurden.

Dabei fing alles vielversprechend an, im sechsten Winter im neuen Zuhause. T und ich stapften durch den Schnee, als wir auf Doko-C mit ihrem Golden Retriever Elvis stießen. Es war keine Liebe auf den ersten Blick zwischen T und Doko-C. Was daran lag, dass Doko-C Angst hatte, Elvis würde mich beißen. Blödsinn. Er war jung und ungestüm und spielverrückt. Gleich am folgenden Tag trafen wir die beiden wieder. An derselben Stelle. Was an sich ja schon kein Zufall sein konnte.

Mila und Hundefreund Elvis

T und Doko-C pampten sich an, wie Zweibeinerinnen das eben manchmal tun, wenn sie beide Alpha-Weibchen sind. Lass die beiden doch miteinander spielen, hat T gesagt. Der arme Elvis musste nämlich an der Leine bleiben, während ich wie immer frei durchs Gehölz streichen durfte. Doko-C hat gefaucht: Ich werde meinen Hund ja wohl besser kennen und einschätzen können. Er jagt Wildschweine. T fühlt sich unwohl in solchen Situationen und rudert dann auch gerne mal zurück. Deswegen hat sie gesagt: War nicht so gemeint. Ich bin manchmal etwas stumpf, ich komme aus dem Harz. (Was nicht stimmt – wir kommen aus dem Süd-Solling.) Dass T sich selber schlecht machte, schien Doko-C aber auch nicht gut zu finden. Nun entschuldigte sie sich, manchmal etwas ruppig zu sein. Da schnüffelten Elvis und ich schon längst freundschaftlich Seite an Seite, Nasen auf dem verschneiten Waldboden, durchs Unterholz. Zwei Abende später begann dann unsere Doko-Hühner-Ära.

T war glücklich. Woche für Woche wurden in irgendeiner Küche Karten gekloppt, dazu gab es Kekse, Käse und Weintrauben. Ich bekam immer ein Begrüßungs-, ein Zwischendurch- und ein Abschiedslecker von Doko-G und / oder Doko-E. Und dem einen oder anderen Doko-Huhn fiel auch mal was unter den Tisch. Und irgendwann begannen unsere gemeinsamen Bildungsreisen ans Ostmeer. Allerdings ohne Elvis. Wir fuhren zu Zosse Zeno. Schon vor dem Frühstück fielen Begriffe wie Re, Kontra, keine 9, Damensolo, Hochzeit. Später ging es dann ans Meer, und anschließend flogen wieder die Karten über den Tisch.

Mit Hund an der Ostsee

Aus einer Reise wurden zwei, dann drei… Schöne Idee eigentlich. Aber es konnte nicht gut gehen. Jeder weiß doch, dass es nur ein Alpha-Tier pro Rudel geben kann. Selbst in einem Hühnerstall. Hier waren es aber mindestens zwei. Damit war der Stress vorprogrammiert.

Von Fahrt zu Fahrt wurde es unruhiger, die Doko-Hühner-Gruppe wuchs (Elvis war immer noch nicht dabei) von vier auf fünf und schließlich sieben. Da wurde es plötzlich anstrengend. Wir fuhren nicht mehr zu Zeno, aus Freunden wurden zwar keine Feinde, aber veritable Streithennen. Die Luft begann zu faulen und dann zu stinken – nicht nur meinetwegen, das möchte ich betonen. Aber schließlich konnte in dieser Atmosphäre niemand mehr richtig atmen. Alle dachten wohl, es würde besser, wenn ich zu Hause bliebe. Ich durfte also nicht mehr mit. Du bist immer so fixiert auf Milla, das nervt, war die Begründung. Was T sehr gekränkt und mich unglücklich gemacht hat. Kein Ostmeer mehr. T parkte mich bei Blumen-A oder BB oder Öpa und hoffte, dass es ohne mich harmonischer auf Doko-Reisen werden würde. Wurde es aber nicht. Wir wollen entspannt Urlaub machen. Aber du bist einfach unglaublich anstrengend mit deinen Stimmungsschwankungen. Klartext: Donnerstags Doko – ja. Mit auf Bildungsreise – nein.

T hat nicht lange gefackelt. Die Doko-Donnerstage sind gestrichen. Genau wie die Telefonnummern der Doko-Hühner. Aber ich bin sicher, irgendwann renkt sich das wieder ein. Denn eigentlich mögen sie sich ja alle.

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